Seit Jahren bin ich auf der Suche nach einem Psychotherapeuten: Ich sammle Adressen, rufe an und schreibe, die meisten melden sich nicht, ich habe ein Leben, ich muss arbeiten, das Thema wird vergessen.
Irgendwie habe ich es bis jetzt geschafft, aber mein Leben wäre besser, wenn ich einen Profi hätte, mit dem ich über meine geistige und emotionale Probleme reden könnte.
Wie kann ich das beschleunigen?
Ich habe in berlin mal versucht was zu finden. Nach dem Telefonieren nicht zielführend war habe ich einfach alle email adressen von Psychologen im umkreis von 10km aus dem Internet gescraped. Dann eine Email aufgesetzt und an alle versendet (knapp 80emails). Darauf hin hab ich ganze 5 Antworten bekommen. Es ergaben sich 2 erstgespräche. Keines führte zu einer Therapie.
Viel glück, ich hoffe du findest die hilfe die du brauchst.
Indem du privat zahlst. Traurig, ist aber leider so.
Was du auch probieren kannst, ist zu einer Selbsthilfegruppe zu gehen. Das ist in der Regel unverbindlich, und auch wenn es dir nicht direkt hilft, triffst du da halt Leute, die das gleiche Problem haben oder hatten und dir evtl. lokale Tipps geben können.In meiner persönlichen Erfahrung lief es nur, indem ich alle, aber auch wirklich alle Therapeuten in der Gegend durchtelefoniert habe (Profitipp von einem der für Therapeuten die IT und Telefonie verwaltet: Ruf zwischen 10 vor und der vollen Stunde an. Ansonsten kannst du es vergessen). Und bei jeder Absage noch fragen, ob sie Kollegen mit Kapazität kennen.
Systematisch vorgehen hilft. Erstelle dir eine Tabelle, für jeden Therapeuten eine Zeile. Spalten: Name, Adresse, Telefonnummer, Weblink, Status (nicht erreicht/was hat sich ergeben?), ggf Anmerkung
Such die zehn nächsten raus und tu sie in die Liste. Ruf regelmäßig fünf bis zehn Nummern an, die du noch nicht erreicht hast. Wenn deine Liste zu klein ist, erweitere sie um mehr Kandidaten, die weiter weg liegen.
Dabei sind die Tipps von @KISSmyOS@feddit.de hilfreich: Zwischen 10 vor und der vollen Stunde sind viele besser erreichbar. Und bei Absagen nach Kollegen mit Kapazität fragen.
Oft erreichst du niemand persönlich, aber bekommst eine Bandansage, die häufig sagt, wann die Praxis telefonisch erreichbar ist. Schreib dir das auf! Mach dir einen Termin im Kalender zum nächsten passenden Zeitpunkt, dass du dann nochmal dort anrufst.
Dein Vorgehen so zu strukturieren hilft, die diffuse große Aufgabe in kleine, konkrete, bewältigbare Schritte zu unterteilen. Du kannst es dir zur täglichen Angewohnheit machen (z.B. einmal vormittags und einmal nachmittags je 10 Minuten investieren), oder dich seltener dem widmen, vergisst durch die Tabelle aber nicht, wen du noch nicht angerufen hattest.
Dann gibt es noch weitere Angebote, die als Überbrückung und langfristige Begleitung sehr hilfreich sein können. Selbsthilfegruppe wurde schon genannt. Falls Sucht eine Rolle spielt, gibt es dafür separate Einrichtungen, in denen ebenfalls therapeutisch gearbeitet wird. Für Opfer von Gewalt gibt es auch spezielle Angebote. Kann sein, dass es in deinem Fall nicht nur “allgemeine” Therpeuten gibt, sondern auch spezialisierte Hilfe. Ersetzt eine Therapie nicht, aber ist besser als nichts. Und vielleicht können die auch bei der Suche helfen.
In Hamburg gibt es auch Ambulante Soziale Dienste bzw. Ambulante Sozialpsychatrie (ASP), die ebenfalls überbrückend und begleitend helfen können. Möglich, dass es in anderen Städten Ähnliches gibt.
Ein Perspektivwechsel als Angebot: Eine Antwort auf die Frage, warum es so schwierig ist, jemand zu finden, würde dir wohl kaum bei der Suche helfen. Zielführender ist eine Retrospektive: In einer hypothetischen Zukunft, in der du einen Platz gefunden hast - was wirst du in diesem Szenario getan haben, um in diese Situation gelangt zu sein? Konzentriere dich auf die Faktoren, die du in der Hand hast, um deine Chancen zu verbessern. In der Zukunft wartet ein passender Platz auf dich, schnapp ihn dir!
Wende dich an deine Krankenkasse, oder Krankenkassen Verband. Da die Plätze im Fall verfügbar sein müssen, und die Kassen dies bereitstellen müssen, bieten die eine Vermittlung.
Wenn du es schon versucht hast und keinen Erfolg hattest hast du deinen notwendigen Versuch getan.
Bei denen ich einen Termin bekommen habe, haben mir nicht gepasst. Bei einer mit Warteliste hat es dann gepasst.
Wenn du es noch nicht versucht hast lass dich auf Wartelisten setzen.
Ein Problem ist dass Ärzte nach Bewohner und Sektionen zugelassen werden. Und das geht offensichtlich am Bedarf vorbei. Dazu kommt ein genereller Mangel.
So lange du keinen hast kann in akuten Situationen ein entsprechender Notdienst helfen - zumindest mal mit einem Gespräch.
In Deutschland ist es leider bei den Krankenkassen systemisch noch nicht angekommen, dass seelische Fürsorge ein Gesundheitsthema ist. Deshalb gibt es schlicht und ergreifend nicht genug kassenzugelassene Experten. Ich war mal sehr krank und hätte Hilfe gebraucht. Hab’s trotz der Krankheit geschafft mich aus eigener Kraft aufzurappeln und habe ein halbes Jahr lang nach Hilfe gesucht. Aus ca. 50 Kontaktanfragen per Mail / Telefon haben sich etwa 4-5 gemeldet. Die haben sich alle glaubhaft entschuldigt, aber jeder einzelne hatte halt eine Warteliste von 3+ Jahren. Hab durch Glück einen neuen Job landen können und damit irgendwie auch gesundheitlich die Kurve gekriegt. Manch anderer zerbricht aber verständlicher weise dran. Und Schuld sind die Krankenkassen.
Diese Wartelisten sind halt auch echt totaler Quatsch, alles was halbwegs akut ist hat sich nach 1+ Jahren doch entweder erledigt oder deutlich verschlimmert, d.h. eine richtige Behandlung würde dann deutlich länger dauern.
Sinnvoller wäre es, eine Warteliste von höchstens einigen Monaten zu führen und die Plätze darauf auszulosen.
Weil es viel weniger kompetente Psychotherapeuten gibt als Therapieplätze benötigt werden, ganz simpel. Kannste nur beschleunigen, indem du halt bei mehr anfragst und dich bei mehr auf die Warteliste setzen lässt.
Dazu kommt wie gesagt das “kompetent”. Ich war bei mehreren und genau einer konnte mir ein bisschen helfen, der Rest war absolut nutzlos. Die Wissenschaft ist halt noch nicht weit genug als dass sie bei dem gesamten Thema wirklich effektiv wäre. Oder dass halt einfach einzelne genug über bestimmte Themen wissen, gibt ja extrem viel, mehr als in nem Studium oder was weiß ich vermittelt werden kann. Und die meisten Psychotherapeuten kriegen es nicht hin, ihre eigenen Problemchen zu lösen, da werden sie dann auch nur begrenzte Chancen haben, das bei Patienten zu lösen.
Ich kann immer empfehlen, sich selbst zum Psychotherapeut auszubilden, indem man Texte und Studien über sein eigenes Verhalten sich reinzieht.
Ich habe gute Erfahrungen mit der 116 117 gemacht. Einfach mal anrufen. Das ist der Patientenservice der Kassenärztlichen Vereinigung. Dort bekommst du relativ schnell ein Erstgespräch vermittelt. Ob daraus dann eine Therapie wird ist ein anderes Thema, aber es ist schonmal ein Anfang.
Es werden zu wenig Kassensitze an Therapeuten verteilt, damit ist das Angebot an kassenzugelassenen Therapeuten künstlich limitiert. Die einzige Möglichkeit den ganzen Abtelefonier-quatsch zu umgehen ist wohl, wie schon von anderen vorgeschlagen, einen privat bezahlten Therapeut zu suchen. Leider sind die häufig auch nicht besser als Kassentherapeuten und die Suche nach einem wirklich hilfreichen Therapeuten bleibt… und es wird teuer. Wo kämen wir da auch hin wenn die arme arme Versicherung mehr in Therapie steckt, die gehen bestimmt unter wenn auch nur ein weiterer Kassensitz vergeben wird. 🙄
Zur Grundfrage: es ist so, dass die Zahl der Kassenzulassungen für Psychotherapeuten eigentlich seit den 90ern nicht signifikant erhöht wurden, die Nachfrage nach dieser Behandlungsform seitdem aber exorbitant gestiegen ist, was schon mal einen grundlegenden Mangel in der Versorgung bedeutet. Wenn du zusätzlich in den letzten 3 - 4 Jahren begonnen hast zu suchen, hast du leider die Pandemie-Arschkarte gezogen - durch diese Krisenzeit (und die folgenden Jahre, die ja auch eher tense waren/sind) mit ihren vielfältigen Belastungen sind viele psychisch vorbelastete, aber eigentlich zurechtkommende Menschen wieder behandlungsbedürftig geworden, und viele neu Erkrankte dazugekommen, vor allem junge, die es ohne die Krise vielleicht auch ohne Therapie geschafft hätten. Die Therapieplätze bleiben aber leider weiter gleich viele, und der Mangel ist gerade extrem verschärft.
Aber die wichtigere Frage ist die zu Möglichkeiten der Beschleunigung. Hinweise, die ich noch nicht gesehen habe:
Grundlegend haben die meisten Therapeuten eine Telefonsprechstunde für Therapieanfragen, die sie auf dem AB oder ihrer Website (wenn sie eine haben) kundtun. Wenn nicht, dann den Hinweisen folgen und 5 - 10 Minuten vor der vollen Stunde anrufen, das ist die Zeit zwischen den einzelnen Sitzungen. Und - tendenziell öfter anrufen als weniger oft. Unterstreicht die Dringlichkeit und erhöht die Chance, dass man durchkommt. Zurückgerufen wird man in der Regel nicht, das ist nichts Persönliches, dafür ist einfach nicht die Zeit da.
Ansonsten: einen Blick auf die Liste der Therapeuten mit Kassensitz von der örtlichen kassenärztlichen Vereinigung behalten. Wenn dort jemand neu auftaucht, dann für gewöhnlich weil er einen alten Kassensitz übernommen hat oder in einer Praxis mit Kassensitz neu angestellt wurde. Ein “neuer” Therapeut (öfter haben die vorher schon einige Jahre oder Jahrzehnte praktiziert, nur ohne es bei den Kassen abrechnen zu können) hat oft noch keinen vollen Patientenstamm und hie und da noch ein Plätzchen frei.
Psychiatrische Institutsambulanzen. Die sind meistens an eine Psychiatrie angegliedert um die Weiterversorgung der entlassenen Patienten zu sichern, man kann aber auch “von außen” kommen. Großer Vorteil: man hat meistens gleichzeitig Zugang zu einer psychiatrischen UND psychotherapeutischen Behandlung, sollte man beides brauchen (z.B. um Antidepressiva verschrieben zu bekommen). Nachteil: wie schon erwähnt, die sind teilweise auch voll im Moment.
Ausbildungsambulanzen. Die gibt es in den meisten größeren Städten. Dort werden künftige Psychotherapeuten ausgebildet, die sehr viele supervidierte Praxisstunden absolvieren müssen, um ihre Approbation zu erhalten. Die Behandlung kann wie mit Kassensitz abgerechnet werden. Nachteil: Es SIND Therapeuten in Ausbildung, es kann also schonmal vorkommen, dass es eine gemeinsame Lernerfahrung gibt, um den besten Weg zu finden. Vorteil: Man wird nach neuesten Standards und Protokollen behandelt (die PT-Auszubildenden in Praxisstunden haben die Theorie und Psychiatrie-Praktika bereits absolviert), kann bei Universitäts-angegliederten Zentren an Studien zu neuen Hilfsbehandlungen teilnehmen, und man kann sich sicher sein, dass nochmal ein erfahrener Supervisor sein Auge drauf hat, was in der Therapie fachlich passiert, ist also doppelt abgesichert.
Außerdem: Psychotherapeuten ohne Kassensitz haben für gewöhnlich freie Plätze. Wenn man kann, kann man dort selbst zahlen, kostet so ca. 80 - 100 Euro pro Stunde. Für gewöhnlich sollte man je nach Problemlage und Therapieart mit 25 über 60 bis 90+ h rechnen, meistens einmal wöchentlich, bei Psychoanalyse in der Hochphase eher 3 mal wöchentlich. Die Summe ist happig, aber kann es natürlich wert sein.
Es gibt aber auch theoretisch und unter bestimmten Voraussetzungen eine gesetzliche Regelung zur Kostenübernahme einer solchen, wenn man bei Therapeuten mit Kassensitz keinen Platz gefunden hat. (Infos z.B. unter https://www.therapie.de/psyche/info/fragen/wichtigste-fragen/psychotherapie-kostenerstattung/) Die Krankenkassen tendieren im Moment dazu, zu versuchen, sich aus der Kostenübernahme herauszuschlawinern, deswegen sollte man die Nachweisführung wirklich gewissenhaft machen. Insbesondere auch unbedingt (wie in der Info erwähnt) die Terminservicestelle anrufen und sich einen Sprechstundentermin geben lassen, UND bescheinigen lassen, dass (wenn es so ist) man eine Therapie braucht, es aber dort keinen freien Platz gibt. Dazu sei aber erwähnt, dass es durchaus passieren kann, dass man da an einen freien Platz gerät - leider auch Glückssache. Wenn man den Antrag stellt und er abgelehnt wird, unbedingt Widerspruch einlegen, auch wenn es Kraft kostet.
Ein letzter Hinweis: bei aller Beschwerlichkeit der Therapieplatzsuche, wenn du endlich bei einem Therapeuten sitzt, und du fühlst dich unwohl, er ist dir unsympathisch oder ihr habt große Probleme, euch zu verständigen bzw. zu erfassen, was der andere meint, oder irgendwas in der Richtung, dann tu dir den Gefallen und schau dich trotzdem weiter nach jemand anderem um. Ein sehr großer Teil der Wirksamkeit einer Therapie ist eine positive, vertrauensvolle Beziehung zum Therapeuten. Wenn die (z.B. aus zwischenmenschlichen Gründen) nicht möglich ist, wird auch die Therapie nicht so sehr viel bringen.
Viel Erfolg, und Alles Gute!
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